Samstag, April 20, 2024
Allgemein Universität

Ein abgekartetes Spiel

Tausche Engagement und Kompetenz gegen… Unicard      

Gastkommentar von Alena Schmitz

Die Unicard ist in aller Munde, und zwar seit gefühlt 20 Jahren – immerhin war sie bisher eigentlich das einzige Wahlkampfthema des RCDS, nachzulesen in den Wahlzeitungen seit, ja, Beginn der Nuller Jahre. Im Januar soll darüber abgestimmt werden, ob sie nun doch mal eingeführt wird. Eine Karte statt mehrerer, was für ein bedeutender Fortschritt! Die Zivilisation, sie kommt nun auch in Bonn an, so denn genügend fleißige Urabstimmungsteilnehmer ihr Kreuzchen bei „Heißer Shit, will ich auch!“ machen.
Gut, fraglich ist bisher, was das Ganze kosten soll – und wer es denn bezahlt. Der Info-Flyer, den der „neutrale“ Unicard-Ausschuss des Parlaments herausgebracht hat und der ganz ungeniert für die Karte nach RCDS-Konzept wirbt, hält sich mit diesen Informationen sehr zurück; eine Kalkulation der tatsächlichen Kosten will die Universität demnach erst ausgeben, wenn alle schon dafür gestimmt haben. Wird die Uni besagte Kosten denn auch übernehmen? Angesichts eines strukturellen Defizits in vielfacher Millionenhöhe und möglicherweise höherrangiger finanzieller Prioritäten, bspw. des Erhalts von drei, vier oder fünf Professuren, die man für das Label „Universität“ dann ja doch noch braucht, ist das eher unwahrscheinlich. Aber gut, träumen kann man ja noch.
Für die AStA-Koalition ist dieses Träumchen jetzt zum Alptraum geworden: Nachdem der Finanzreferent Alois Saß die Verteilung der ersten Version des Info-Flyers wegen offensichtlicher Falschinformationen vorerst gestoppt hatte (und er und der AStA-Vorsitz dafür schon extrem angegangen wurden) und sowieso nicht als Befürworter großer Ausgaben für kleine Plastikteile bekannt ist, rotteten sich RCDS, LHG und einige Abweichler aus der Koalition zusammen, stellten so ausnahmsweise die Mehrheit des Parlaments und wählten Alois ohne Zögern ab. Dabei war seine Einschätzung, der Flyer könne so nicht verteilt werden, kurz vorher sogar noch bestätigt worden, eine geringfügig verbesserte Neuauflage wurde beschlossen, gedruckt und in die Verteilung gegeben.
Die „Diskussion“ vor der endgültigen Abstimmung war denn auch eine ziemliche Farce. Koalitionäre und interessierte Öffentlichkeit, die ausnahmsweise mal zahlreich vertreten war (wie, großer Zufall, auch die Parlamentarier des RCDS), redeten sich den Mund fusselig mit Bestätigungen von Alois‘ Kompetenz, seinem Engagement und der verlässlichen Zusammenarbeit. Argumente der Antragsteller ließen auf sich warten; nachdem bereits im Antrag selbst keinerlei Begründung zu finden war, ging es schließlich nur noch um persönliche Diskrepanzen zwischen Alois und dem Vorsitzenden des Kassenprüfungsausschusses, dem RCDS-Mitglied Matthias Rübo. Er habe nicht das Gefühl, noch konstruktiv mit dem Finanzreferenten arbeiten zu können, dieser erschwere die Arbeit seines Ausschusses. Oh, und die Arbeit des Untersuchungsausschusses zum möglichen „Betrug“ einer Bonner Beratungsstelle für Frauen am AStA und dessen studentischen Geldern sei mit Alois auch nicht so wirklich möglich (warum nicht einfach die Staatsanwaltschaft informiert wird, wo der Finanzreferent und alle anderen doch so großen Mist gebaut haben? „Natürlich kann ich nicht abschließend beurteilen, ob ein Betrug vorlag, ich studiere Mathematik und nicht Jura.“, Zitat Rübo in der aktuellen Ausgabe der Akut.)
Chiara Mazziotta, ebenfalls Antragstellerin und Vorsitzende des RCDS, lamentierte noch über die mit Alois wohl unmögliche Wahrnehmung ihrer Oppositionsaufgabe der AStA-Kontrolle. Als Argumente für die Abwahl des Finanzers, dessen zweite Amtszeit übrigens sowieso im Januar geendet hätte, bleiben somit erstens persönliche Befindlichkeiten („Der ist aber gemein zu mir!“) und zweitens eine offenbar unfähige Opposition – wer sich nicht in der Lage sieht, seine Aufgaben ordnungsgemäß wahrzunehmen, sollte es wohl machen wie sonst und einfach nicht zu den Sitzungen erscheinen. Ändert ja auch nichts, wenn man seine Kapitulation vor der eigenen Unfähigkeit nicht als Motivation ansieht, mal zum Eimer mit der Selbstreflexion zu greifen, der während der Schöpfung sicher mal rumgegangen ist.
Konnten diese Argumente aber wirklich reichen, um auch einige Abweichler aus der seit Jahren mal mehr, mal weniger harmonischen AStA-Koalition auf die dunkle Seite zu ziehen? Die Überzeugungskraft dürfte eher gering sein. Bleibt der kleinste gemeinsame Nenner, die Unicard. Während die meisten AStA-Gruppen das Projekt zwar nicht blockieren, aber auch nicht unbedingt mit Herzblut daran hängen und auch offen dazu stehen (was der Verfasserin, damals noch AStA-Vorsitzende, vor einigen Jahren mal eine biestige RCDS-Pressemitteilung einbrachte, die sich über ihre Aussage „Mir persönlich ist die Unicard völlig egal“ sehr wortreich echauffierte), gibt es bekanntermaßen einige Jusos, die nach all den Jahren Stillstand die Bewegung, die sie selbst in das Projekt gebracht haben, nicht ins Leere laufen lassen wollen. Würden sie mit diesem Beweggrund einen der ihren – Alois ist immerhin schon sehr lange ein verlässliches Juso-Mitglied – der „Opposition“ zum Fraß vorwerfen? Das werden wir wohl nie erfahren.
Ohne Finanzreferenten steht der AStA nun nicht nur in Bezug auf die Finanzverwaltung ganz schön blöd da. Das ganze zusätzliche Engagement, das Alois in den vergangenen zwei Jahren geleistet hat, werden Vorsitz und kommissarischer Finanzer schwer kompensieren können. Mit der Ernennung von letzterem ist aber immerhin sichergestellt, dass die Fachschaften, Kulturgruppen und MitarbeiterInnen der Studierendenschaft ihre Gelder bzw. Löhne bekommen, etwas, woran die Abwahlkoalition offenbar keinen Gedanken verschwendet hat. Wie gut, dass das Parlament sowieso im Januar neu gewählt wird, und bald darauf entsprechend auch der AStA. Wenn Alois nach dieser Aktion nochmal Lust hat, in eine solche Position zurückzukehren, gibt es sicher wieder Parlamentarier, die ihm ihr Vertrauen aussprechen werden (vielleicht nicht ihr vollstes Vertrauen, aber immerhin) und ihn in einem neuen AStA mittragen. Wie dieser aussieht? Man weiß es nicht. Antragsteller, die sich über mangelnde Konstruktivität beklagen und diese dann beispielhaft darstellen, koalitionsbrüchige Jusos, machtlose Koalitionäre – das Parlament sabotiert sich selbst, und dabei auch diejenigen, die sich ehrlich und gewissenhaft für die Studierendenschaft einsetzen. Aber Hauptsache, wir haben nur noch eine Plastikkarte mit hübschem Passbild im Portemonnaie. Prioritäten und so.

Bei Redaktionsschluss ist die Autorin in keinem Amt der Studierendenschaft tätig und vertritt somit nicht notwendigerweise die Meinung des AStA.

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