Donnerstag, März 28, 2024
Allgemein Kultur

Lachweinsmiley

Der Barbar unter den Emoticons – genau zur rechten Zeit

von Jana Klein

E-TraenenEs gibt viele Ärgernisse in den Weiten der sozialen Netze. Doch eine sticht besonders heraus. Es ist – der Lachweinsmiley. Man kann grob ein Naturgesetz aufstellen: Je dümmer Diskussion&Diskutierende, desto häufiger sein Auftreten in seinem natürlichen Habitat. Vorsicht: Es gibt zwei voneinander zu unterscheidene Gebrauchswesen. Noch gerade zu akzeptieren, wenn auch nicht harmlos: der Lachweinsmiley, der zeigen soll, dass man sich vor lauter Lachen nicht mehr halten könne. Er ist die servile Unterordnung unter die Person, die gepostet hat und das Heischen nach Zugehörigkeit, lantente Bereitschaft zur Aufgabe des Ich, Unterwürfigkeit aus Angst vor Zurückweisung. Die zweite Variante der Anwendung ist ärgerlicher: die der demonstrativen Überlegenheit. Wer ihn so verwendet, möchte seinem Gegenüber zeigen, dass es so lächerlich, so außerhalb jeder Diskutierbarkeit steht, dass man vom Argumentieren durch unwillkürliches Lachen abgehalten würde. De facto sind die Nutzerinnen dieser Variante des Smileys so lächerlich, so außerhalb jeder Diskutierbarkeit, dass man weinen möchte, ganz ohne Lachen. Mit diesen Leuten ist nicht zu diskutieren. Der Lachweinsmiley ist die Abwesenheit jeglicher Vermittlung. Er ist der krampfhafte Versuch, das Innere vor den Augen der Anderen dem eigenen, stets verfehlten Ich-Ideal anzugleichen. Krampfhaft, weil er notwendig zum Scheitern verurteilt ist. Weil der Nutzer des Lachweinsmileys seine Lächerlichkeit und Indiskutierbarkeit erahnt und darum beständig abwehren muss. Der Lachweinsmiley ist Scheitern – nur merkt das der User nicht, der ihn auf seiner Android-Tastatur unter dem Smiley-Menü links neben Space anwählt.

Klaus Theweleit („Männerphantasien“, „Das Lachen der Täter“) weist auf das schallende Gelächter Anders Breiviks hin, als er in Utøya dutzende Menschen tötete, auf Erinnerungen gepeinigter Kindersoldaten, auf SS-Soldaten auf ihrer Mordtour durch Osteuropa oder auf die Radiosendungen, die das Völkermordgeschehen in Ruanda begleiteten (HAHAHAHAHA). Lachweinsmileys fordern, dass Merkel weg muss, dass die Lügenpresse weg muss und sie kringeln sich vor Lachen über die Dummheit der Gutmenschen, die Geflüchteten helfen, statt ihre Heime anzuzünden. Der Lachweinsmiley ist die Frust am ewig Unverstandenen, die Barbarei der Unvermittelten in einer höchst vermittelten Welt, die, das versteht der Lachweinsmileynutzer, „immer unübersichtlicher wird“, wie er es sich gern im Fernsehen in seinen eigenen Worten erklären lässt. Der Lachweinsmiley wurde jüngst in Großbritannien zum Wort des Jahres gewählt, und zwar wegen der Häufigkeit seiner Nutzung. Damit zeigt die Jury des Oxford Dictionary unbewusst Feinfühlung: die Welt wird nicht bloß „unübersichtlicher“, sie gleitet ab ins Irrationale, nicht nur, aber auch in Europa. Das sind die hiesigen Umstände, die den Lachweinsmiley und seinen Nutzer haben groß werden lassen. Unter anderen Umständen marschiert er in Polen ein. Unter etwas anderen Umständen.

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