Freitag, April 19, 2024
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Polizei spielen

Extremist_innen werden aktiv. Die Politik ist oft machtlos

von Samuel F. Johanns

Eine bestimmte Methode hat unter politischen Extremist_innen wieder Konjunktur: Das Auftreten in paramilitärischen Organisationen mit dem Ziel, das Recht nun selber wieder durchzusetzen.
Dabei sind nicht erst die Entwicklung der letzten Wochen, in denen sich Bürgerwehren, vornehmlich zum Schutze von Frauen vor sexuellen Übergriffen gründeten, ein passendes Beispiel. Das Phänomen existiert zudem über die Grenzen der politischen Lager hinweg. Den meisten dürfte noch das mediale Aufsehen in Erinnerung geblieben sein, welches eine selbsternannte „Shariah Police“ in Wuppertal auslöste, als Salafisten auf Patrouille gingen, um Glaubensbrüder und  -schwestern zur Einhaltung der islamischen Gebote zu ermahnen. Medial weniger prominent begleitet kam es einige Monate später auch zu einem Auftreten ähnlicher Kontrollgänge, diesmal allerdings von Antisemit_innen des politisch linken Spektrums. Im November des letzten Jahres machten sich Aktivist_innen der BDS-Kampagne als Inspektor_innen auf Streife durch die Bremer Innenstadt. Erklärtes Ziel: Die Überprüfung einer Kennzeichnungspflicht von Produkten aus israelischen Siedlungsgebieten und einer eventuellen nachträglichen Kennzeichnung dieser.

Ohnmacht des Staates und das ständige Versagen der Polizei werden immer wieder als Legitimationskriterien für die Maßnahmen ins Feld geführt. Es ist ein demagogisches Spiel mit den diffusen Ängsten und Vorurteilen der Bevölkerung. Aber auch wo die eigenen politischen Forderungen mit den grundgesetzlichen Konditionen unseres Staates nicht d‘accord gehen, wird als Konsequenz das Recht in die eigene Hand genommen, auch wenn es dabei um ein Rechtsverständnis geht, welches fernab von dem offiziellen demokratisch legitimierten Gesetz besteht.

Natürlich reagiert die Staatsmacht empfindlich auf alles, was ihr Gewaltmonopol in Frage stellt. Eine rechtliche Handhabe und somit Interventionsgrundlage besteht für die Polizei aber erst, wo tatsächliche Gewalt in Form von Nötigung oder illegaler Bewaffnung vorliegt. Akteur_innen der mitunter paramilitärisch auftretenden Kontrollgruppen wissen meist sehr genau, in welchem Rahmen ihre Handlungen noch keine strafrechtliche Dimension erreichen und wie subtil eine Drohung oder Maßregelung formuliert werden muss, um sehr wohl beim Opfer aber niemals vor Gericht auffällig zu werden.
Eine wirksame rechtliche Prävention gegen diese Gruppen wird sich auch in Zukunft als schwierig erweisen. Dabei handelt es sich perverserweise um eine Strategie, welche die Freiheiten einer liberalen Gesellschaft systematisch gegen diese Freiheit selbst richtet. Die rechtlichen Strukturen zur Unterdrückung des Phänomens in Deutschland sind eigentlich vergleichsweise weit ausgebaut. So existiert im Rahmen des Versammlungsrechtes eine Art „Uniformierungsverbot“. Die offenbar speziell definierte Form einer Uniform praktisch zu umgehen und dennoch erkennbar uniformiert aufzutreten ist sehr leicht. Das aus den Erfahrungen der instabilen Weimarer Republik-Zeit resultierende Gesetz scheint erst zu greifen, wenn die verwendeten Uniformen erkennbar militärischen Charakter besitzen. Im Falle der „Shariah Police“ dienten handelsübliche bedruckte Warnwesten als Uniform. Eine rechtsradikale „Bürgerwehr“ in Dortmund trat im Oktober letzten Jahres in einfachen bedruckten gelben T-Shirts auf. Die Stadt versuchte eine Intervention unter Berufung auf den Paragraphen und scheiterte vor dem Amtsgericht, welche die Klage nicht annehmen wollte. Damit befindet sich der Staat in der Sache mit den T-Shirts vor einem Dilemma, denn das Gesetz auf einheitlich bedruckte T-Shirts auszudehnen würde wohl bedeuteten, jeden Jungesell_innenabschied und so manchen Karnevalsumzug in Zukunft strafbar werden zu lassen.
So bleibt es in der Regel dabei, dass die Polizei nur mit Gegenpräsens und Erklärungen gegen die Umtriebe reagieren kann. Schon beinahe mantrahaft ritualisiert muten da die Verlautbarungen von Polizeisprecher_innen an, welche immer wieder erklären, dass das Gewaltmonopol auf Seiten des Staates liege. Letzten Endes kann aber nur konsequente Aufklärungsarbeit an der Bevölkerung der Anbiederung der Radikalen das Wasser abgraben. Wer den Rechtsstaat ernst nimmt, der muss verstehen, dass dessen Aktionen sorgfältig zu sein haben und aus systemischen Gründen, aufgrund von Unschuldvermutung und vorurteilsfreien Ermittlungen, oftmals nicht den schnellen aktionistischen Erfolg versprechen können wie es nun so manche Bürgerwehr tut.

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