Donnerstag, April 18, 2024
Allgemein Kultur

Oh du schöne Marktwirtschaft

Mein neues Handy und Ich

Kolumne von Laila N. Riedmiller

handyIch habe heute einen neuen Handyvertrag abgeschlossen. Mein altes Handy war kaputt, der Prepaidtarif fürs mobile Arbeiten unterirdisch und der Vertrag im Endeffekt nur unwesentlich teurer als wenn ich das Handy so gekauft hätte.
Da sitze ich nun, im Schneidersitz, und upgrade meine technische Coolness direkt um drei Generationen.
Wenn man sich dieses cleane Handy anschaut, kann man leicht vergessen, dass dafür chinesische Arbeiter_innen für 14 Cent am Tag in der Fabrik gestanden haben.
Ich hätte lieber mein altes Handy behalten. Aber da es von Anfang an darauf ausgelegt war, nicht ewig zu halten, ist dies ein Wunschtraum.
Nun gut, das Handy fährt hoch (harhar, früher hat es sich noch angeschaltet) und ich kann mich nun entscheiden, ob ich es mit einer Pin, einem Muster oder einem Fingerabdruck (!!!!) sichere. Hey, der nächste, der mir mein Handy klaut, muss mir den Finger gleich mit abhacken. Und wer hat nicht gerne ein Handy, das deine Fingerabdrücke aufnehmen und speichern und vor allem wiedererkennen kann?! Insbesondere, wenn man Android nutzt und die Daten damit quasi direkt an Google weitergeben kann?
Ich vertrau‘ so gern einem großen Konzern, oder wie war das?
Sorry Handy, aber du musst auf meinen Fingerabdruck leider verzichten.

Nun weiter. Ich kann ganz bequem die Einstellungen meines alten Handys durch NFC an das neue Handy übertragen. Ich muss nur die beiden Rücken aneinanderhalten.
Nachdem meine Handys kurz gekuschelt haben, ist das nun auch passiert und ich frage mich, was aus den alten, klobigen Backsteinen geworden ist, die einem so viel weniger Zeit genommen haben, die so viel weniger verführerisch und so viel praktischer waren. Und ob wir zukünftig auch mit dem primären Ziel kuscheln, schnell Informationen zu übertragen.

Schlussendlich kann ich noch beide Handys miteinander verbinden und die restlichen Daten rüberschicken. So einfach, so bequem. Und so gruselig. Der Hersteller geht davon aus, dass ich mir nicht etwa ein Smartphone kaufe, weil ich noch keines habe oder mein anderes total veraltet ist, nein, es ist einfach fancy, die neueste Generation zu haben und natürlich ist es wichtig, mir den Umstieg umso leichter zu gestalten, damit die Hemmschwelle, mir das Handy derselben Generation, aber Version C, zu kaufen, möglichst gering ist.

Schließlich ist alles eingerichtet, die Weitergabe von Daten so weit heruntergebrochen wie möglich und das Handy im gleich mit dazugekauften, fall- und stoßsicheren, kratzgeschützten und absolut unästhetischen Case verstaut. So kann nichts passieren – zumindest nicht, bis der nun im Gegensatz zu vorherigen Generationen wieder fest verbaute Akku dank geplanter Obsoleszenz die Nutzung des Handys erübrigt und die Anschaffung eines neuen erforderlich macht –  außer natürlich, ich habe eine supergeile Versicherung abgeschlossen, die für alle Schäden aufkommt, mir ein neues Handy zukommen lassen wird und das alte nach Afrika schickt. Elektroschrott? Aus den Augen, aus dem Sinn.

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