Claudia Neumann erdreistet sich – Spielreportage als Frau
von Samuel F. Johanns

Dass der (Männer-)Fußball auch eine Petrischale zur Züchtung maskulinistischer Ressentiments wie Misogynie und Homophobie darstellt, ist allgemein bekannt. Wie sich dies konkret äußert durfte Sportjournalistin Claudia Neumann feststellen, als sie sich erdreistete zwei EM-Spiele zu kommentieren und gleichzeitig eine Frau zu sein und daraufhin herablassende, reduzierende und sexualisierte Beleidigungen und Drohungen im Internet zu vernehmen bekam. Die Vorrunde der EM ist gerade gespielt und das Event hat bereits zwei Shitstorms in Deutschland hervorgebracht (siehe letzte Ausgabe zum rechten Shitstorm auf Post der GJ-RLP). Dass die Kritik an der Wahl ihrer Person keineswegs ihrer Kompetenz oder Inkompetenz, sondern in der Regel nur ihrem Geschlecht geschuldet war, ließ sich leicht daran feststellen, dass die Aufregung bereits vor dem Spiel auf Twitter und Facebook losbrach ehe Neumann überhaupt zum Mikrofon griff. Die Empfehlung, lieber Dressurreiten zu kommentieren oder doch besser Wäsche zu machen waren noch die harmlosesten Beispiele dieses misogynen Hate-Speechs.
Gerade bei Twitter ist aber auch die Zahl an Solidaritätsbekundungen mit Frau Neumann hoch, auch viele Männer verteidigen dort die Wahl und kritisieren offen den Sexismus der Debatte. Doch steht alleine die Tatsache, dass eine Frau* im Männerfußball nicht mehr tun darf als Tabellenpositionen zu verlesen ohne einen Shitstorm und eine Diskussion auszulösen als Indikator für eine Gesellschaft, die den Fußball als Rückzugsraum des Maskulinismus geradezu zelebriert.
Angriff auf das „Reservat des Maskulinismus“
Dem Maskulinismus und Antifeminismus inhärent ist das Gefühl vieler Männer angesichts der Emanzipation von Frauen* nun das Opfer einer bevorstehenden „Herrschaftsumkehr“ zu werden. Mit diesem Phantasma der Opferschaft geht eine implizite Forderung nach maskulinen Schutzräumen einher. So machte Judith Butler im Rahmen ihrer Albertus Magnus Professur in Köln jüngst genau auf diesen Aspekt der empfundenen Verletzlichkeit der mit der Dekonstruktion von Dispositiven und dem Verlust beziehungsweise der Infragestellung von Privilegien einhergeht, aufmerksam. Viele Maskulinisten finden für sich diesen Schutzraum im Männersport. Der Männer-Fußball wird in Deutschland zu einer Art „Reservat archaischer Männlichkeit“. Hier dürfen Kerle noch echte Kerle sein. Es ist eine Lebenswelt in der Biergenuss, das Grillen von Fleisch auf offenem Feuer, Akte der Leibesertüchtigung (zumindest der Sportler), schlicht traditionelle Rollenbilder des Männlichen zelebriert werden. Die einfache Präsens von „Schwuchteln“, „Weibern“ oder anderweitig nicht hinreichend als maskulin genug definierten Personen im engeren Kreis der aktiven Zeremonie werden als direkter Angriff auf die Identität und die Stabilität dieses Reservats gedeutet. Der Grund, weswegen sich im Profifußball bis heute kein aktiver Spieler zu seiner Homosexualität bekannt hat. Viele der Hasskommentare zeugen von genau dieser Urangst des Maskulinismus. Die Kommentare suggerieren dann eine vordergründige Toleranz gegenüber der Emanzipation von Frauen* in der Gesellschaft und kritisieren dann, dass man ihnen aber doch wenigstens ihren Fußball als Rückzugsraum lassen soll.