Donnerstag, März 28, 2024
Allgemein Universität

Fachschaften – und wer sie vertritt

Ein Gastkommentar von Mark Pedron

Schon die Vielzahl der Fachschaften und ihre konstitutive Fachspezifizität machen es schwierig, etwas gemeingültiges über sie und ihre Vertretungen zu sagen. Nahezu alle Fachschaftsvertretungen (FSVen) verstehen sich als offener Kreis, in dem sich mit konkreten und spezifischen Belangen der jeweiligen Fachschaft befasst wird. Weit verbreitet ist dabei die Meinung, dass für Fachschaftspolitik all diejenigen geeignet sind, die sich um sie bemühen. Folgerichtig sieht daher ein neuer Wahlordnungsvorschlag der Fachschaftenkonferenz (FK) vor, die Verhältniswahl abzuschaffen.
Durch die Beschäftigung mit der Wahlordnung zeigt die FK, dass sie sich der Frage um die demokratische Legitimation der Fachschaftsvertretungen bewusst ist. Gewählte Personen handeln stellvertretend für die gesamte Fachschaft. Dass dabei nicht zweifelsfrei festgestellt werden kann, ob diese Personen dann auch im „Interesse der Studierenden“ handeln, liegt schon allein daran, dass sowohl die Wahl als auch die Debatte in den FSVen sich gerade mit dem Finden und Formulieren dieses Interesses beschäftigen (sollten). Jedoch beansprucht das Prinzip der demokratischen Legitimation zumindest für sich, im Falle eines Scheiterns durch Wahlen die Möglichkeit zu bieten, eine Änderung oder Neuausrichtung dieses Prozesses herbeizuführen.
Dies setzt zum Zeitpunkt der Wahl das Vorhandensein von Alternativen voraus, denn eine Abwahl kann nur durch die Wahl anderer Bewerber_innen geschehen. Wesentlich ist, dass mehrere Optionen und auch Mindermeinungen Visibilität erlangen. Die bisherige Wahlordnung sieht vor, im Falle mehrerer sich bewerbender Listen eine Verhältniswahl durchzuführen. Dadurch ist es möglich, mittels Listenpositionierungen die verschiedenen Auffassungen zu kommunizieren. Aus dem Wahlergebnis kann dann, zumindest teilweise, eine Haltung der Studierenden zu den Themen erkannt werden. Auch wenn die Persönlichkeitswahl scheinbar mehr Platz für Vielfalt bietet, scheitert sie an genau dieser Kommunikation – im Rahmen einer Fachschaftswahl würden nur solche Personen Aufmerksamkeit bekommen, die auch in anderer Weise in Erscheinung treten.

Der FK waren diese Einwände bekannt. Verstanden oder berücksichtigt wurden sie jedoch nicht. Von dem_der Verfasser_in der Wahlordnung wurde dogmatisch preisgegeben, dass es gerade Ziel des Vorschlags sei, möglichst weit weg von der Verhältniswahl zu kommen. Erfahrungen der FK-Mitglieder mit Fachschaftspolitik, die gerade für eine Problematisierung der Persönlichkeitswahl nutzbar gemacht werden könnten, wurden in ihr Gegenteil verkehrt. So wurde beispielsweise unwidersprochen die Position geäußert, Wahlen seien ja ohnehin nur dann nötig, wenn die momentane Fachschaftsvertretung „Mist baut“. Diesem verqueren Demokratieverständnis – dass nämlich die Gremien und ihre Wahl nicht als weiterer Ort für den notwendigen Diskurs darüber, was das „Interesse der Studierenden“ ist, verstanden wird, sondern nur als Ort der Umsetzung der von einzelnen Personen festgelegten Interessen – entspringt auch der aktuelle Vorschlag für die Wahlordnung. In diese Ansicht reiht sich auch der Kompromissvorschlag ein, den Fachschaften per eigener Satzungsänderung die Möglichkeit zu bieten, die Listenwahl in der eigenen Fachschaft wieder einzuführen. Dabei müsste allein schon der Gedanke, dass Listen, die sich in Konkurrenz zu den Mandatsträger_innen positionieren, sich von genau diesen zuvor eine Satzungsänderung erbitten müssen, als absurd erkannt und verworfen werden.

Änderungen für die Wahlordnung der Fachschaften werden von der FK vorgeschlagen und im SP abgestimmt (und möglicherweise) beschlossen. Der Vorschlag ist nun, nachdem er von der FK beschlossen wurde, in das SP eingegangen, um dort, wie bei Ordnungen üblich, in (wenigstens) zwei Sitzungen beraten zu werden. Eine erste Debatte fand bereits auf der Sitzung am 6. Juli statt.

Die Notwendigkeit dieses Verfahrens, entgegen der sonst weitreichenden Unabhängigkeit der Fachschaften, lässt sich daran erkennen, wie die FK zusammengesetzt wird. Dies geschieht nämlich, indem jede Fachschaftsvertretung eine Person dorthin entsendet. Damit kennt die FK schon konstitutiv keine Repräsentation von Mindermeinungen in den Fachschaften. Die FK eignet sich strukturell zwar als Koordinationsgremium für das aktive Geschäft der Fachschaften (um beispielsweise Termine von Fachschaftspartys zu koordinieren), kann jedoch nicht als parlamentsähnliches Organ verstanden werden, in dem grundlegende Entscheidungen wie beispielsweise eine Wahlordnungsänderung letztlichen beschlossen werden können.

Die Personenwahl auf Fachschaftsbene ist eine nahezu reine Popularitätswahl, denn sie kann gar keine andere Form annehmen, wenn nicht öffentlich um die Ziele und Vorstellungen über Fachschaftspolitik gerungen wird. Da es in manchen Fachschaften außerhalb des Aktivenkreises scheinbar auch nicht genügend Interesse daran gibt, dies zu ändern, erscheint die Personenwahl als tragbarer pragmatischer Kompromiss – aber gerade in diesen Fachschaften (in denen nur eine Liste zur Wahl antritt), wird nach der aktuellen Wahlordnung ja auch eine Personenwahl durchgeführt. Wenn es allerdings mehrere Bewerber_innen um die Gestaltung der Fachschaftspolitik gibt, wird die Personenwahl absurd: Die aktuell Aktiven der Fachschaft können sich als Organisator_innen von Fachschaftsveranstaltungen als populäre Wohltäter der Fachschaft inszenieren, und gleichzeitig die Bedeutung der Fachschaftswahl herunterspielen. Deshalb muss es in einer solchen Situation, in der sich mehrere Listen kontrovers positionieren, auch eine Listenwahl geben – wie es bisher der Fall ist. Die Abschaffung der Listenwahl wäre ein deutliches Signal an alle Studierenden, dass keine kritische Auseinandersetzung mit Fachschaftspolitik gewünscht ist, und würde die Macht der Personen festigen, die sich schon jetzt allein durch die Organisation von Partys und Unterhaltungsveranstaltungen einen Unterstützer_innenkreis sichern konnten. Ob das SP in der Lage ist, diese Konsequenzen zu begreifen, wird sich zeigen – die FK jedenfalls konnte es nicht.

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