Freitag, April 26, 2024
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Musische Verbindungen

Warum Ideologie nicht immer vorrangig in studentischen Korporationen ist.

 von Jan Bachmann

Nicht jede Verbindung schlägt Narben, einige schlagen lieber Saiten: So in etwa könnte man die oftmals nicht minder traditionsreichen musikalischen Verbindungen in deutschen Universitätsstädten beschreiben. Nicht an konfessionelle oder politische Merkmale in der Auswahl ihrer Mitglieder beschränkt, wobei hier Unterschiede zwischen den diversen Vereinigungen bestehen, was konventionelle Kriterien, insbesondere Geschlecht, bei der Aufnahme von Neulingen (Fuchsen) angeht.
Während das Hauptaugenmerk einer musischen Verbindung selbstverständlich jedoch darin besteht, künstlerisch und insbesondere musikalisch aktiv zu sein, kann jedoch nicht von einem allgemeinen Unterscheidungsmerkmal musischer Verbindungen die Rede sein. Gegründet haben sich viele musikalische Verbindungen, auch als Akademische Musikverbände (AMV) bezeichnet, ursprünglich als Sängerschaften, welche sich auf die Bildung von Männergesangsvereinen unter Studenten fokussierten. Kooperative Merkmale wie politisch-konfessionell orientierte Verbindungen, die sie pflegten, kamen erst im Laufe des 19. Jahrhunderts zum musisch-künstlerischen Aspekt hinzu, womit sie in die Nähe anderer studentischer Kartelle rückten. Des Weiteren ist insbesondere bei musikalischen Verbindungen zu beachten, dass ihre bundesweite Organisation (sowie die Organisation bis nach Österreich) v.a. über den Sondershäuser Verband (SV) läuft. Dabei handelt es sich um einen Dachverband zur besseren Vernetzung, welchem aktuell 24 Verbindungen angehören – schlagend keine, jedoch einige davon farbenführend. Die Ordnung zu Gruppenstrukturen, wie sie in Verbindungen üblich ist, werden auch von musischen Verbindungen geprägt, und die es stellt sich auch bei einigen Vereinen nicht die Frage, unter welches Kulturverständnis sich die Pflege „deutschen Liedes“ fällt.
Der Vertreter musischer Verbindungen in Bonn ist die AMV Makaria, eine musische nicht-schlagende und nicht-farbenführende Verbindung mit Hauptsitz in der Bonner Südstadt (wie auch der Großteil anderer Bonner Verbindungen). Wie relativ schnell deutlich wird, wenn man die Webpräsenz etwa dieser Verbindung entdeckt, geht es ihren Mitgliedern in erster Linie um die gemeinsame Pflege musischer Aktivitäten, insbesondere Musik und Theater. Gerade in Bezug auf ersteres wird etwa ein Proberaum für Mitglieder und deren musikalische Projekte angeboten; ein Angebot, welches insbesondere den mangelnden Wohn- und Lebensraum in Bonn wegen eine nicht zu unterschätzende Problematik für größere musikalische Formationen darstellt. Es ist die Öffnung nach außen und die Ablehnung elitär-exklusivistischer Gruppenbildung, welche ebenfalls die Vorteile einer musischen Verbindung wie dieser offenlegt: Open Mic Nights, Konzerte, Filmabende und ähnliche Veranstaltungen richten sich gezielt auch an Nicht-Verbindungsmitglieder und tragen zu einem offenen, mehr oder weniger frei zugänglichen und nicht-kommerziellen Kulturbereicherung der Stadt Bonn bei. Des Weiteren betont die Makaria ihre Distanz zu rechtem Gedankengut mehrfach etwa auf ihrer Website – ein Verhalten, welche selbst konfessionelle Verbindung in dieser Klarheit nicht immer über die Lippen kommt.
Es sind somit die Öffnung des kulturellen und kulturschaffenden Raumes und die tatsächlich Relation durch praktische Interessen, die die Vorteile einer – in diesem Fall musischen –Verbindung klarer erscheinen lassen als die exklusiven Gruppenbildungsmechanismen einer traditionellen Korporation und anhand derer der mögliche Sinn einer Verbindung jenseits narzisstischer Traditionspflege sinnvoll und sinnstiftend erscheinen kann.

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